Die Supply Protection (SUP) gehört zu den Highlights der Neuerungen aus Oktober/November 2020 der Supply Chain Thematik von SAP mit S/4HANA. Im Deutschen „Verfügbarkeitsschutz“ genannt, ermöglicht dieser die Reservierung bestimmter Mengen für gewisse Gruppen. Welche Konzepte dabei hinter der Supply Protection genau stehen und wie diese umgesetzt werden kann, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Die Grundlagen des Verfügbarkeitsschutzes

Die Supply Protection ist seit Oktober 2020 On Premise verfügbar und seit dem 2011er Novemberrelease auch in der SAP Cloud. SUP steht dabei unter dem Hauptthema „Available to Promise (ATP)“ und fällt somit mit der kompletten Bezeichnung der Anwendungskomponente unter „CA-ATP-SUP“. Der Verfügbarkeitsschutz ist laut Definition von SAP dazu da, „eine Gruppe vor den Bedarfen anderer Gruppen zu schützen“. Gemeint ist damit, dass bestimmte Mengen für bestimme Gruppen reserviert und somit geschützt werden können. Zusätzlich ist hierbei auch eine Priorisierung bestimmter Kunden möglich. Dies ist dann von Vorteil, wenn die Artikel nicht in der Reihenfolge der eingehenden Kundenaufträge verkauft, also nicht nach dem „First-Come-First-Served-Prinzip“, sondern gewisse Abnehmer priorisiert werden sollen. Dies stellt entsprechend das Hauptziel der Supply Protection dar.

 

Der Verfügbarkeitsschutz kann nach mehreren definierbaren Kriterien erfolgen, die sich im Kundenauftrag und bei den Daten des Kunden selbst finden. Nach diesen können Schutzgruppen gebildet werden, die anschließend entsprechend bei den Bedarfsanfragen priorisiert werden können. Um den kompletten Ablauf richtig verstehen zu können, ist es vorerst wichtig, die Hauptbegriffe der Supply Protection verstanden zu haben. Dazu gehören die Folgenden:

 

Verfügbarkeitsschutzobjekt Hauptentität des Themas, ist eindeutig und wird immer für eine bestimmte Material-Werk-Kombination definiert. Es besteht aus einer oder mehreren Verfügbarkeitsschutzgruppen und besitzt einen Planungszeitraum, in welchem die definierten Mengen geschützt sind. Der Schutz kann sich auf Kundenaufträge oder Umlagerungsbestellungen beziehen. Es sind mehrere Objekte für dieselbe Material-Werk-Kombination möglich, die zugeordneten Merkmalswertekombinationen (MWKs) sorgen allerdings für die Eindeutigkeit der Objekte.
Verfügbarkeitsschutzgruppen Können anhand von Kombinationen von Merkmalen und deren Ausprägungen gebildet werden. Sie werden auch als „Merkmalswertekombination (MWK)“ bezeichnet und gehören genau einem Schutzobjekt an. Ein Kundenauftrag entspricht beispielsweise einer solchen Gruppe.
Geschützte Menge Stellt die Menge dar, die für eine Gruppe reserviert ist. Entsprechend muss diese von gleichen oder niedriger priorisierten Gruppen beachtet werden. Es wird stets die Basismengeneinheit aus dem Materialstammsatz verwendet.
Gesperrte Menge Ist die Menge, die nicht verfügbar ist, da sie von Gruppen geschützt wird.
Verbrauchte Menge Wird relevant, wenn Kundenaufträge bestätigt werden und so die geschützte Menge reduziert wird.

Diese Begriffe werden in den folgenden Beispielen und Erläuterungen ersichtlicher.

Die wichtigsten Konzepte der Supply Protection

Die Supply Protection folgt folgenden Varianten und Konzepten, um den gewünschten Schutz zu personalisieren:

  • Horizontaler und vertikaler Verfügbarkeitsschutz
  • Aktiver/passiver Verfügbarkeitsschutz

 

Mit dem horizontalen oder auch Kernschutz (Core Protection) genannten Schutz wird erreicht, dass eine Gruppe vollständig vor dem Bedarf einer anderen Gruppe geschützt wird. Um die Thematik besser verständlich zu gestalten, kann mit verschiedenen gedachten Märkten gearbeitet werden, beispielsweise den Märkten von Frankreich, Deutschland und Italien. Sollte nun etwa in Deutschland ein Kundenauftrag eingehen, muss geprüft werden, ob ein Schutz für die Gruppe Italien oder die Gruppe Frankreich existiert. Denn die für diese beiden anderen Länder geschützte Menge ist für einen Bedarf aus Deutschland gesperrt. Nur wenn darüber hinaus genügend Bestand vorhanden ist, kann der Kundenauftrag aus DE bestätigt werden.

 

Jedes Verfügbarkeitsschutzobjekt stellt einen solchen Kern-Verfügbarkeitsschutz dar. Bei der Anlage eines solchen Objekts können maximal zwei Merkmale als Kernmerkmale definiert werden, welche bei der Identifizierung helfen. Beim Sperren von Mengen, welches die zentrale Funktion der SUP darstellt, ist es wichtig, dass für alle Verfügbarkeitsschutzobjekte mit derselben Material-Werk-Kombination diese Sperrung in beide Richtungen funktioniert. Das bedeutet, dass ein Bedarf, welcher zu einer Gruppe eines Objekts passt, automatisch den Schutz aller anderen aktivierten Verfügbarkeitsschutzobjekte derselben Material-Werk-Kombination berücksichtigen muss. Beim horizontalen Schutz werden zusammenfassend also vollständige Gruppen gegeneinander geschützt, dabei wird keine Priorisierung vorgenommen und jeder Schutz für andere Bedarfe stellt gleichermaßen eine gesperrte Menge dar.

 

Die priorisierte (vertikale) Supply Protection ist hingegen ein vergleichsweise relativer Schutz. Unterschiedliche Prioritäten werden hierfür sogenannten Schutzuntergruppen zugeordnet. Geht nun beispielsweise eine Bestellung ein, die zu einer solchen Gruppe passt, muss der Schutz aller Untergruppen beachtet werden. Allerdings nur der Schutz von Gruppen mit derselben oder einer höheren Priorität. Entsprechend kann eine Gruppe mit einer höhen Priorität bei einer Bedarfsunterdeckung sogar mehr als für diese geschützte Mengen bestellen – folglich ist es auch möglich, dass geschützte Bedarfe mit einer niedrigeren Priorität nicht mehr bedient werden können.

 

Der vertikale Schutz und der horizontale Schutz können somit auch kombiniert werden. Ein Verfügbarkeitsschutzobjekt mit nur einer Schutzgruppe bietet somit den Kernschutz, den horizontalen Schutz. Sind dem Objekt allerdings mehrere Gruppen zugeordnet, kommt der priorisierte, vertikale Schutz innerhalb des Verfügbarkeitsschutzobjektes zum Einsatz.

 

Im Beispiel (vgl. folgende Darstellung) sind 1000 Stück eines Werks generell verfügbar. Es sind zwei verschiedene Prioritäten der Gruppen vorhanden. Im ersten Schritt reserviert sich die Gruppe 1 mit der zweiten Priorität 430 Stück, dies stellt aus Sicht dieser Gruppe die eigene, geschützte Menge dar. Im zweiten Schritt fragt die Gruppe 2, welche ebenfalls der zweiten Priorität angehört, 370 Stück an. Da die Prioritäten der beiden Gruppen gleich sind, muss die Gruppe 2 die Bedarfe der Gruppe 1 berücksichtigen. Da allerdings noch genügend Stück frei verfügbar sind, ist der Verfügbarkeitsschutz gültig und die Anfrage wird genehmigt. Nur diesen Teil betrachtet, beschreibt dieser die Core Protection, also den horizontalen Schutz, da hier eine Gruppe (Gruppe 1) vollständig vor dem Bedarf einer anderen Gruppe (Gruppe 2) geschützt wird.

 

In einem weiteren Schritt erreicht das Werk die Anfrage auf 250 Stück von der dritten Gruppe. Frei verfügbar sind allerdings nur noch 200 Stück, da die restlichen 800 Stück aus Sicht der Gruppe 3 vorerst zur gesperrten Menge gehört. Der Gruppe 3 wurde allerdings die Priorität 1 zugeordnet. Bei der Prüfung des Verfügbarkeitsschutzes tritt hier der vertikale, priorisierte Schutz in Kraft – hierbei muss die Anfrage nur den Schutz von Gruppen mit derselben oder höheren Priorität beachten. Da die Gruppe 3 die höchste Priorität besitzt, werden dieser die Bedarfe zugesagt und der mögliche Fall bei einer Bedarfsunterdeckung tritt ein, dass geschützte Bedarfe mit einer niedrigeren Priorität (im Beispiel Gruppe 2, diese erhält nun nur noch auf 330 Stück den Schutz) nicht mehr vollständig bedient werden können.

 

Alle Verfügbarkeitsschutzgruppen sind somit einem Verfügbarkeitsschutzobjekt zugeordnet, welches sich auf genau diese Material-Werks-Kombination bezogen hat. Als letzter Begriff im Beispiel fehlt der verbrauchte Schutz. Dieser stellt die Menge dar, die in einem Kundenauftrag dazu bestätigt worden ist. Wenn etwa die Gruppe 2 bereits 100 Stück erhalten hat, wird folglich die geschützte Menge von 320 auf 220 reduziert. Die 100 Stück stellen den verbrauchten Schutz dar.

 

Bleiben noch der aktive und passive Schutz zu klären – erstgenannter macht es hierbei möglich, geschützte Mengen für Belegarten, wie z.B. Kundenauftrag oder Umlagerungsbestellung, zu erfassen und zu bearbeiten. Der Bedarf muss hingegen den Schutz anderer Gruppen als gesperrte Menge berücksichtigen, wenn der passive Verfügbarkeitsschutz Anwendung findet.

Fiori-App „Verfügbarkeitsschutz verwalten“ zur SUP

Um die SUPs anzulegen und zu verwalten gibt es die zentrale SAP-Fiori-App „Verfügbarkeitsschutz verwalten / Manage Supply Protection“ (F4569). Diese steht allen Nutzenden zu, die die Businessrole „Order Fullfilment Manager“ oder entsprechend die deutsche Bezeichnung der Benutzerrolle „Experte für die Auftragserfüllung“ (ID R0226) zugeordnet haben. Über diese Applikation können nun also die Mengen eines bestimmten Materials und eines bestimmten Werks vor anderen Bedarfen schützen. Der Schutz kann nach den bereits erwähnten Aspekten erfolgen. Insgesamt können folgende Funktionen innerhalb der Applikation genutzt werden:

  • Kernschutz definieren (horizontaler Schutz)
  • priorisierten Schutz innerhalb eines Verfügbarkeitsschutzobjekts angeben
  • aktiven Schutz für Kundenaufträge und Umlagerungsbestellungen anlegen
  • Verfügbarkeitsschutzobjekte für Kundenaufträge, Umlagerungsbestellungen und für ein gemischtes Szenario definieren
  • aktiven Schutz für Fashion-Kontrakte mit Abruflogik unterstützen
  • Schutz mit Zeitperioden definieren
  • Integration mit komplementären Lösungen, wie z.B. Rückstandsbearbeitung (BOP) oder Kontingentierung (PAL), einrichten

 

Quelle: https://blogs.sap.com/2020/11/30/highlights-for-supply-chain-in-sap-s-4hana-2020/

Was steht allerdings im Customizing an, um die Applikation sinnvoll zu verwenden? Wichtig ist hierbei, dass der Lieferschutz für die entsprechende Prüfregel im Rahmen der Verfügbarkeitsprüfung aktiviert wird. Dadurch kann dann das Material zu bestimmten Mengen in einem bestimmten Werk für verschiedene Belegarten reserviert werden. Der Versorgungsschutz kann unter Advanced Available-to-Promise (aATP) aktiviert werden (der genaue Pfad lautet: Cross-Application Components > Advanced Available-to-Promise (aATP) > Product Availability Check (PAC) > ConfiJure Scope of Availability Check).

Weitere wichtige Informationen zum Thema

Wichtig zu erwähnen ist noch, dass die Produktverfügbarkeitsprüfung (PAC) nur berücksichtigt wird, wenn das Verfügbarkeitsschutzobjekt aktiviert ist. Das Objekt besitzt insgesamt 3 Status: „In Planung“, „Aktiviert“ und „Deaktiviert“. Dabei ist zu beachten, dass der Status nicht von Aktiviert auf In Planung oder von Deaktiviert auf Aktiviert gesetzt werden kann. Sobald das Objekt aktiviert ist, können nur noch die geschützten Mengen geändert werden. Änderungen an Merkmalen, am Planungshorizont oder Planungskontext können nicht mehr vorgenommen werden. Der Planungskontext beschreibt, ob sich der Schutz, wie oben bereits erwähnt, auf Kundenaufträge oder Umlagerungsbestellungen bezieht, und der Planungshorizont, in welchem Zeitraum die bestimmten Mengen geschützt sind.

 

Die PAC Produktverfügbarkeitsprüfung ist dabei ein Prozess der aATP von vielen, in denen die Supply Protection integriert werden kann. Ein weiterer ist etwa die Kontingentierung, die zur SUP als komplementäre Lösung steht – diese definiert eine Obergrenze, während der Verfügbarkeitsschutz Mindestmengen setzt. In der folgenden Grafik wird das Zusammenspiel der Prozesse nochmal ersichtlicher:

 

Weitere Prozesse im Zusammenhang sind zum Beispiel die Rückstandsbearbeitung (BOP), die Bestandszuteilung (ARun) und die Alternativen-basierte Bestätigung (ABC).

 

Ebenfalls erwähnenswert sind die verschiedenen Dokumententypen, die durch die Supply Protection Prozesses unterstützt werden. Dazu gehören drei Belegarten: Kundenaufträge (KAUF), Umlagerungsbestellungen (ULB) und Kontrakte. Für diese Belegarten ist es also möglich, den Verfügbarkeitsschutz zu nutzen. Der Schutz der Kundenaufträge stellt hierbei den Normalfall dar, da vor allem der Bedarf der Kunden geschützt werden soll. Die bestätigten Mengen eines Kundenauftrags verbrauchen folglich die geschützten Mengen im entsprechenden Zeitraum. Da darüber hinaus auch Handelsfilialen geschützt werden sollen, ist auch der Schutz der Umlagerungsbestellungen relevant, denn diese sind die typischen Bedarfselemente dieser. Zuletzt werden die Kontrakte betrachtet. Diese werden im Prozess anders behandelt, da sie nicht als Planungsobjekte für das Verfügbarkeitsschutzobjekt ausgewählt werden können, allerdings trotzdem geschützt werden können. Dabei werden die Mengenkontrakte wie Kundenaufträge verarbeitet. Sie entsprechen dem für Kundenaufträge definierten Verfügbarkeitsschutzobjekt und verbrauchen dieses.

 

Neben weiteren Verbesserungen der Bedienbarkeit verfügt der Versorgungsschutz mit den neusten Neuerungen über eine kombinierte Pflegetabelle für Merkmalswerte und geschützte Mengen. Dies erhöht die Benutzerfreundlichkeit und Transparenz. Zusätzlich ist es nun möglich, Versorgungsschutzgruppen für bestimmte Geschäftspartner zu definieren. Die Geschäftspartner sind in den Merkmalskatalog aufgenommen worden. Auch mit dem letzten Release wurde die maximale Anzahl der Zeitbereiche auf 55 begrenzt, wodurch Performance- und Usability-Probleme vermieden werden.

Fazit

Hinter dem im zu Beginn des Beitrags leicht verständlichen Satz recht einfach zusammengefassten Thema „Supply Protection“ steckt folglich mehr als anfangs vermutet wird. Wir hoffen trotzdem, Ihnen einen verständlichen Einstieg ins Thema gegeben zu haben. Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne an unser Team wenden – unsere Berater helfen gerne weiter!